Neben dem niemals endenen Schlagabtausch zum Thema US-Dienste ist die Vorratsdatenspeicherung ein weiterer großer Datenschutz-„Dauerbrenner“. Sie finden viele Artikel zu diesem Thema in unserem Blog (klicken Sie unten am Seitenende gerne einmal auf das Stichwort Vorratsdatenspeicherung).

Vorratsdatenspeicherung wieder im Gespräch

Kürzlich äußerte sich die Bundesinnenministerin Nancy Faeser wieder einmal zu dem Sachverhalt und forderte im Zusammenhang mit Kinderpornografie und Kindesmissbrauch, dass die Sicherheitsbehörden mehr Befugnisse bekommen sollen um „maximalen Ermittlungsdruck“ zu erhalten. Das Vorhaben klingt in der Theorie erst einmal logisch und gut begründbar, allerdings müsste man um „Kriminelle“ zu finden, natürlich die Daten von allen speichern. Hier begibt man sich aus Datenschutzsicht im Sinne der Interessensabwägung und Verhältnismäßigkeit zumindest auf einen schmalen Grad zwischen potenzieller Verbrechensbekämpfung und Einschränkung der Privatsphäre des Einzelne sowie Massenüberwachung im Rahmen eines „Generalverdachts“. Eine neue Entscheidung vom EuGH dazu soll es am 20.09.2022 geben. In diesem Zusammenhang soll die Bundesregierung auch eine neue Regelung vorstellen, die mit dem Urteil vereinbar sei.

Vorherige Rechtsprechungen

Zuletzt entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Jahr 2014, dass die Vorratsdatenspeicherung auszusetzen sei, da eine anlasslose Speicherung von Daten gegen das europäisches Recht verstoße. Es dürften nicht einfach im Sinne eines Generalverdachts wahllos Daten über Privatpersonen gesammelt werden. Damals war der EuGH der Ansicht, „dass das Unionsrecht einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten, die elektronische Kommunikationen betreffen, zur Bekämpfung schwerer Straftaten entgegensteht“.

Einige Ausnahmen hatte der EuGH allerdings bereits zugelassen, wie beispielsweise eine gezielte Vorratsdatenspeicherung für bestimmte Personenkategorien oder nach geografischen Kriterien, auch wenn diese Datenspeicherung ebenfalls zunächst anlasslos ist. Dies bezieht sich wie z.B. auf Orte, die regelmäßig von vielen Personen aufgesucht werden (z.B. Flughäfen, Bahnhöfe, Seehäfen oder Mautstellen). Durch eine Vorratsspeicherung dieser Daten sei es den „zuständigen Behörden möglich, zur Bekämpfung schwerer Kriminalität die Anwesenheit der Personen zu ermitteln, die dort ein elektronisches Kommunikationsmittel benutzen.“ Aus Sicht der Datenschützer ist auch diese „Ausnahme“ zumindest als zweifelhaft einzustufen, da durch diese Art von Datenspeicherung z.B. ein Bewegungsmuster von jeder sich öffentlich bewegenden Privatperson nachvollzogen werden könnte.

Mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden

Frau Faeser kritisierte kürzlich, dass aufgrund der letzten Rechtsprechung des EuGH viele Netzwerke von Straftätern nicht aufgedeckt werden könnten und dass viele Verbrecher den Behörden so „durch die Lappen“ gehen würden. Dies mag grundsätzlich seine Richtigkeit haben, wobei auch hier die Frage offen bleibt, ob sich Kriminelle nicht ohnehin anders organisieren würden, wenn immer bekannter wird, dass die Behörden zunehmend private Kommunikation mitlesen können. Zudem verbleiben unzählige Privatpersonen, die sich nichts zu Schulden kommen lassen und deren private Kommunikation von der Vorratsdatenspeicherung dennoch betroffen wäre. Aus Datenschutzsicht ist und bleibt die Vorratsdatenspeicherung ein heikles Thema.

Zudem möchte Frau Faeser auch den Sicherheitsbehörden mehr Befugnisse zugestehen. Nach Aussagen der Nachrichtenagentur dpa äußerte sie sich dahingehend vor kurzem bei einem Empfang von Bundesnachrichtendienst, Bundeskriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundespolizei. Zu diesen Überlegungen finden sich auch bereits Formulierungen im Koalitionsvertrag wie z.B.: „Die Befugnisse des Verfassungsschutzes zum Einsatz von Überwachungssoftware wird im Rahmen der Überwachungsgesamtrechung überprüft.“ Begründet werden diese Argumentationen mit der gestiegenden Bedrohung durch Cyberattacken.

Abschließend noch ein (humorvolles) Gedankenspiel:

Aus Datensschutzsicht ist die Argumentationskette „mehr Rechte für die Sicherheitsbehörden aufgrund von (Cyber)kriminalität sowie Prävention und Verfolgung von Straftaten“ inhaltlich tatsächlich gar nicht mehr so weit von den US-Behörden und dem Cloud-Act entfernt. Wenn unsere Behörden auch Zugriff auf die Daten von Privatpersonen erhalten und die deutschen Kommunikations-Unternehmen den Strafverfolgungsbehörden ihre Daten offen legen müssten, wären wir theoretisch gar nicht mehr so weit von der Situation in den USA entfernt. Eventuell bestünde hier ja das Potenzial, um wieder auf einen gemeinsamen Datenschutznenner zu kommen. 😉 Dies würde zumindest den Umgang mit Google Analytics erheblich erleichtern.

In diesem Sinne: respect privacy.

Quellenangaben:

  • Artikel „Innenministerin: Vorratsdatenspeicherung und mehr Rechte für Sicherheitsbehörden“, abgerufen am 09.09.2022 unter: https://www.heise.de/news/Nancy-Faeser-will-Vorratsdatenspeicherung-und-mehr-Behoerden-Befugnisse-7256037.html?wt_mc=nl.red.ho.ho-nl-daily.2022-09-08.ansprache.ansprache
  • Artikel „EU-Gerichtshof bestätigt Verbot der Vorratsdatenspeicherung mit Ausnahmen“, abgerufen am 09.09.2022 unter: https://www.heise.de/news/EU-Gerichtshof-bestaetigt-Verbot-der-Vorratsdatenspeicherung-mit-Ausnahmen-6663202.html