Wie wir bereits im Januar berichteten, ist das Vereinigte Königreich (UK) nach dem EU-Austritt aus Sicht der DSGVO faktisch ein Drittstaat geworden. Zuvor war im Partnerschaftsvertrag zwischen der UK und der EU vom 24.12.2020 eine sogenannte „Übergangsfrist“ bis zum 30.06.2021 vereinbart worden. Innerhalb dieser Zeitspanne wird das Vereinigte Königreich aus datenschutzrechtlicher Perspektive weiterhin als EU-Mitgliedsstaat behandelt, sodass die Vorschriften der DSGVO weiterhin uneingeschränkt Anwendung finden. Dennoch wurde bereits Anfang des Jahres intensiv an einer Lösung für die Zeit nach Ablauf der Übergangsfrist gearbeitet. So verkündete die EU-Kommission am 19.02.2021 in einer offiziellen Pressemeldung, dass aktuell ein Verfahren zur Annahme von zwei Angemessenheitsbeschlüssen laufe. Diese beziehen sich auf die Übermittlung personenbezogener Daten in das Vereinigte Königreich im Rahmen der DSGVO sowie in Hinblick auf die Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung.

EU-Kommission prüft kritische Punkte: Datenzugriff durch britische Behörden & Rechtsbehelfe für Betroffene

Insbesondere der mögliche Datenzugriff durch britische Behörden war für die EU-Kommission ein wichtiges Thema, da sich hier eine ähnliche Problematik wie z.B. bei „Schrems II“ und dem Cloudact in den USA ergeben könnte (wir berichteten umfassend). Es ist insbesondere umstritten, welche Zugriffsmöglichkeiten durch den britischen Geheimdienst vorliegen und inwiefern diese Daten mit verbündeten Sicherheitsbehörden geteilt werden. Auch der Nachrichtendienst „Five Eyes“ stand hier in der Betrachtung der Kommission.

Ein weiterer „Sorgenpunkt“ der Kommission war der Fakt, dass sich ein Betroffener aus der EU im Fall eines konkreten Problems oder einer Rechtsverletzung nicht mehr an den EuGH wenden kann, da die UK nicht mehr in dessen Einflussbereich steht. Aus diesem Grund sind natürlich auch die Rechtbehelfe für Betroffene deutlich abgeschwächt.

Nach umfassender Prüfung in Hinblick auf das Recht und die Praxis des Schutzes personenbezogener Daten im Vereinigten Königreich sowie der Vorschriften über den Datenzugriff durch Behörden, ist die Kommission (vorerst) zum Ergebnis gekommen, dass die UK ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet und die Voraussetzungen des Art. 45 Abs. 2 DSGVO erfüllt. Das Datenschutzrecht im Vereinigten Königreich begründet sich laut der EU-Kommission hauptsächlich auf der UK-GDPR sowie dem „Data Protection Act“ von 2018. Beide Rechtsgrundlagen sind inhaltlich mit den Anforderungen der EU-DSGVO und der Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung zu vereinbaren. Das Schutzniveau in der UK wird von der EU-Kommission daher als angemessen erachtet.

Zu den wichtigsten „Pro-UK“-Argumenten zählten für die EU-Kommission dabei insbesondere:

  • dass Großbritannien als ehemaliger Mitgliedstaat das europäische Datenschutzrecht jahrzehntelang mitgeprägt hat,
  • dass die DSGVO auch nach dem Brexit unmittelbare Anwendung findet,
  • dass das Vereinigte Königreich sich dazu verpflichtet hat, sich auch künftig als Vertragspartei an die EU-Menschenrechtskonvention und der Konvention Nr. 108 des Europarats (wichtiges bindendes multilaterales Datenschutzinstrument) zu halten.

Allerdings lässt sich die Kommission die Hintertür offen, das für angemessen befundene Datenschutzniveau Großbritanniens durch streng festgelegte Verfahren kontinuierlich zu überprüfen und die Sicherstellung des Datenschutzniveaus zu überwachen. Beim Abzeichnen einer Tendenz, die sich negativ auf den Datenschutz der EU-Bürger auswirken würde, behält sich die Kommission die Möglichkeit vor, die Beschlüsse vorübergehend auszusetzen oder ganz aufzuheben. Grundsätzlich gelten die Angemessenheitsbeschlüsse nach ihrem Inkrafttreten mit einer Laufzeit von vier Jahren.

Bis die Angemessenheitsbeschlüsse aber tatsächlich Inkrafttreten sind bisher noch die Zustimmung des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) und die Zustimmung eines aus Vertretern der EU-Mitgliedstaaten bestehenden sog. „Komitologieausschusses“ erforderlich. Erst danach kann die EU-Kommission die Angemessenheitsbeschlüsse entsprechend annehmen.

Quellenangaben