Unsere regelmäßigen Leserinnen und Datenschutzinteressierte wissen, dass es gemäß Artikel 7 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) einige elementare Bedingungen für die Einwilligung gibt: Sie muss unter anderem freiwillig passieren, in einfacher und verständlicher Form sein, die Erfüllung eines Vertrages darf nicht an die Einwilligung gekoppelt sein und das Wichtigste ist natürlich, dass sie jederzeit mit Wirkung für die Zukunft ohne Angabe von Gründen widerrufen werden kann, wobei der Widerruf genauso einfach wie die vorangegangene Erteilung der Einwilligung sein muss.
Soweit, so verständlich. Doch – halt Stopp! Hat das Oberlandesgericht Koblenz in seinem Beschluss vom 31.07.2024 zum Aktenzeichen 4 U 238/23 etwa geträumt und den Teil mit der Widerrufbarkeit überlesen? Hier hat es nämlich dem Kläger, welcher die erteilte Einwilligung in die Veröffentlichung von Videos, auf denen er zu sehen war, nachträglich widerrufen wollte, genau dies abgesprochen und führte als Erklärung an, dass dem Kläger mangels wirksamen Widerrufs kein Anspruch auf Löschung zustehe.
Im vorliegenden Fall wurden unter anderem im Rahmen eines Seminars und Interviews zwischen zwei Geschäftsführern Videoaufnahmen angefertigt und mit Einwilligung der Beteiligten in sozialen Netzwerken veröffentlicht. Der Kläger und die Beklagte standen sich zu der Zeit in einer B2B-Beziehung gegenüber, welche inzwischen aber in ein Konkurrenzverhältnis gekippt war.
Natürlich hat aber das OLG Koblenz nicht geträumt, sondern zwischen der Anwendbarkeit der DSGVO und des Kunsturhebergesetztes (KustUrhG) abgewogen: Auch gemäß den Paragraphen 22 und 23 des KunstUrhG dürfen Bildnisse zwar nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden, sofern sie nicht z.B. bei Versammlungen aufgenommen wurden, allerdings ist hier kein so unkomplizierter Widerruf der Einwilligung vorgesehen. Denn hiernach unterliegt die Einwilligung den für eine Willenserklärung geltenden Regeln und kann grundsätzlich nicht mehr widerrufen werden (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eine Ausnahme hätte nur der Schutz des Persönlichkeitsrechts des Klägers rechtfertigen können, aber dies sah das Gericht nicht ausreichend dargelegt.
Wann greifen also die Regelungen der DSGVO und wann die des Kunsturhebergesetztes? Eigentlich steht die DSGVO über den nationalen, ergänzenden Gesetzen (wie beispielsweise auch dem KunstUrhG), allerdings sieht die DSGVO gemäß Artikel 85 Absatz 2 eine Öffnungsklausel vor, nach der die Veröffentlichung von Fotos und anderen Bildnissen ausschließlich zu journalistisch-redaktionellen Zwecken den Paragraphen 22 und 23 des Kunsturhebergesetzes unterliegen.
Im Vorliegenden Fall scheint sich das Gericht also hier wiedergefunden und die Öffnungsklausel der DSGVO angewendet zu haben, auch wenn es die Gründe hierfür nicht explizit darlegt. Für den Außenstehenden irritiert diese Entscheidung im Hinblick darauf, dass es sich bei den Videos der ehemalig in einer B2B-Beziehung bestehenden Parteien um ausschließlich um journalistisch-redaktionelle Zwecke handeln solle, zumal bei der Veröffentlichung von Fotos und Bildnissen zu gewerblichen und kommerziellen Zwecken normalerweise die DSGVO Vorrang genießt. Einmal mehr unterstreicht also dieser Beschluss, dass nicht vorschnell in die Veröffentlichung von eigenen Bildnissen eingewilligt werden sollte. [MF]
Quellenangabe:
- Artikel: „Schranken des Widerrufs der Einwilligung nach § 22 KunstUrhG“, abgerufen am 26.11.2024 unter: https://www.dr-datenschutz.de/schranken-des-widerrufs-der-einwilligung-nach-%c2%a7-22-kunsturhg/
- DSGVO, Art. 7, Bedingungen für die Einwilligung, abgerufen am 26.11.2024 unter: https://dsgvo-gesetz.de/art-7-dsgvo/
- Artikel „Fotos: Ist die DSGVO oder das KUG anwendbar?“, abgerufen am 26.11.2024 unter: https://www.ra-himburg-berlin.de/fotorecht/faq/1491-fotos-ist-die-dsgvo-oder-das-kug-anwendbar.html
- OLG Koblenz, Beschluss vom 31.07.2024 – 4 U 238/23, abgerufen am 26.11.2024 unter: https://openjur.de/u/2494138.html
- Artikel „Aktuelle Entscheidung des OLG Koblenz zeigt: Widerruf von Einwilligung in die Nutzung persönlicher Bilder nur im Ausnahmefall möglich“, abgerufen am 26.11.2024 unter: https://www.roedl.de/themen/aktuelle-entscheidung-olg-koblenz-widerruf-einwilligung-ausnahmefall
- KunstUrhG, § 23, Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, abgerufen am 26.11.2024 unter: https://www.gesetze-im-internet.de/kunsturhg/__23.html
Autorin:
Merle Fraaß [MF], externe betriebliche Datenschutzbeauftragte (TÜV-Zertifizierung)